Shakti

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Diese ausführliche Auseinandersetzung mit Shakti – der linken Hand Gottes, der weiblichen Urkraft – vom australischen Meister Barry Long wollen wir mit euch teilen. Der Artikel wurde schon einmal in einem Band der Reihe advaita veröffentlicht, der inzwischen nicht mehr erhältlich ist. 

Viel Freude und Inspiration!

Katrin, für das Redaktionsteam

„Shakti ist die Kraft der göttlichen Liebe, die darauf wartet, in die Frau einzukehren und durch sie in den Mann.“

Ich benutze nur ungern und in seltenen Fällen östliche Begriffe, weil sie den Westen verwirren. Die Begriffe, die ich benutze, sind „Karma“, die Wiederholung der Vergangenheit als irdische Existenz, „Tantra“, das Erlangen von Gottesbewusstsein durch die Liebe der Frau, und „Shakti“, ein Begriff, über den ich jetzt sprechen will.

„Shakti“ ist die Kraft des weiblichen Prinzips im Universum. Die oberflächliche westliche Gesellschaft hat einfach keinen Begriff für diese Kraft Gottes, die außerhalb der Existenz liegt, die aber in die Existenz eindringt und dort eine Wirkung ausübt. Aber „Shakti“ ist ein guter Begriff, der etwas von dieser Kraft enthält. Ich spreche von der Kraft der Liebe. „Shakti“ ist die Kraft Gottes – die Kraft göttlicher Liebe, die auf ewig in jeder Frau weilt; die nirgendwohin geht, sondern nur auf ein Anzeichen wartet, dass genug Liebe oder Kraft in der Existenz anwesend ist, so dass sie in die Frau einkehren kann und durch sie zum Mann gelangt.

Der Mann besitzt diese Kraft nicht. Seine Kraft besteht darin, Shakti in die Existenz zu bringen. Shakti wird durch einen unwiderstehlichen Drang von der männlichen Energie angezogen, die der zu ihr gehörige Gegenpol ist. Das ist die Kraft des Universums, die hinter allen Dingen steht, aber ohne den Ruf des Mannes nicht in die Existenz gelangen kann. Beides sind mächtige Kräfte: Shakti ist das grundlegende Prinzip und der Mann ist notwendig, damit Shakti sich in der Existenz manifestieren kann. Shakti ist die größere Kraft. Obgleich es nur die Macht Gottes gibt, teilt Gott sich in zwei Kräfte. Diese Kraft wartet also darauf, in die Frau einzukehren. Jede richtige Frau weiß, dass diese Kraft da ist, denn ihr einziger Wunsch ist, verzehrt zu werden. Ich spreche nicht über eine Frau, die sich sexuelle Erregung wünscht, sondern über eine Frau, die still ist, die weiß, wie viel sie zu geben hat oder die sich für immer in der Liebe auflösen möchte. Eine Frau, die die Sehnsucht spürt, dass Shakti in sie einkehren oder durch sie hindurch wirken möge. Diese Frau ist das Mittel, der Kanal, durch den diese in der Existenz nicht manifeste Kraft ins Leben treten kann.

Es ist sehr wichtig, dass der Mann sich so weit wie möglich von Selbstsucht befreit und aufhört, sich selbst so wichtig zu nehmen, damit Shakti durch die Frau in ihn einkehren kann. Natürlich muss der Mann fähig sein, diese außergewöhnliche Schönheit, die eins seiner größten Probleme darstellt, in sich aufzunehmen. Je schöner eine Frau wird, desto schwieriger ist es für ihn, den Orgasmus zurückzuhalten. Sobald eine Frau ihren Körper, ihre Seele und ihr Sein vollkommen öffnet, wird sie außergewöhnlich schön – weil sie etwas von Shakti freisetzt. Das hat eine gewaltige Auswirkung auf den Mann, denn es ist ihre Lust, die den Mann zum Höhepunkt kommen lässt – wenn er erst einmal genug Reife erlangt hat, um sie zu lieben.

Zu Beginn geht es dem Mann um sein eigenes Vergnügen – er hat es auf den Orgasmus oder die Eroberungen abgesehen. Seine eigene selbstbezogene Lust lässt ihn zum Höhepunkt kommen. Der reife Mann erkennt, dass es die Lust der Frau ist, die er genießt. Aber wenn sie die Stufe erreicht, auf der sie sich wahrhaft öffnet – und jede Frau erreicht diese Stufe irgendwann – scheint es unvermeidlich, dass der Mann zum Höhepunkt kommt. Daher erkennt die Frau sehr häufig in ihrem Unterbewusstsein, dass sie sich nicht zu sehr öffnen darf. Sobald sie es tut, kann er sich nicht mehr zurückhalten. So müssen wir Männer sehr vorsichtig sein in dieser Hinsicht, um diese Hemmung nicht bei ihr entstehen zu lassen, und möglichst selten die eigensüchtige Möglichkeit wählen, zum Höhepunkt zu kommen, sobald sie sich uns öffnet. Wir müssen uns darin üben, ihre Schönheit auszuhalten, um die außergewöhnliche Lust zu empfinden, die dadurch entsteht, dass sie sich öffnet; um immer bewusster ihre Schönheit in den Penis aufzunehmen.

Du musst fähig sein, jene Schönheit mit deinem ganzen Körper aufzunehmen. Das bedeutet, dass du bewusster werden musst. Du darfst nicht die geringste geistige Bewegung zulassen, weil der Geist sich gerne vorstellt, wo er ist! Wenn du dir vorstellst, dass du im Geschlechtsorgan der Frau bist, fährst du ab – es ist vorbei. Männer kommen oft schon bei ihrer Annäherung an eine Frau zum Höhepunkt, noch bevor sie in sie eindringen, weil sie sich vorstellen, was sie tun, statt einfach nur zu tun, was sie tun. Um die Schönheit einer Frau auszuhalten, bedarf es also zunehmender Bewusstheit. Da darf keine Vorstellung sein, sondern nur die reine Tatsache, das zu sein, was du tust. Das bedeutet: nicht darüber nachzudenken, keine Ablenkung, keine Phantasie zuzulassen. Nur: „Ich liebe und empfange die Lust, die dadurch entsteht, dass ich sie liebe. Ich empfange ihre Lust.“ Denn nichts genießt der Mann mehr als die Lust der Frau. Je mehr Lust er ihr schenken kann, desto vollständiger ist er in seinem eigenen Sein.

Natürlich muss auch die Frau selbst fähig sein, die Lust zu nehmen. Und das erfordert, dass sie keine emotionale oder psychische Bewegung zulässt. Sie muss einfach nur ihr Körper sein, eins mit ihrem Körper sein, so dass auch sie nicht zu schnell oder zu oft zum Höhepunkt kommt.

     * * *

Warum denkt jeder Mann auf Erden an die Frau? Warum denkt jede Frau an den Mann? Es ist nie jemandem in den Sinn gekommen, diese Frage zu stellen. . . Warum möchte jeder Mann ein Gott sein? – was bedeutet, dass er ein Geschenk für die Frau sein möchte als ihr Geliebter; dass er die Macht haben möchte, die Frau zu lieben und sie dazu zu bringen, ihn zu lieben; dass er diese Macht sein möchte. Natürlich wird der Mann aus seinem Bedürfnis heraus, Macht über die Frau zu haben, pervers und ist grausam zu ihr. Weil er nicht Mann genug ist, greift er auf Grausamkeit zurück, um ein Machtgefühl zu haben. Und er hat Angst; Angst, seine Unabhängigkeit aufzugeben. Aber darüber spreche ich nicht. Ich spreche darüber, warum der Mann die Frau mehr als alles andere auf der Welt begehrt. Ich spreche über die Macht des Universums.

Ein unabhängiger Mann kann Shakti nicht ins Leben bringen. Sie verlangt seine absolute und vollkommene Hingabe an Gott oder die Liebe. Aber das fehlt auf dieser Erde. Hin und wieder kehrt Shakti ein; und die Frau weiß es. Der Mann weiß, dass etwas Ungewöhnliches geschehen ist. Aber in Wirklichkeit ist es so, dass Shakti ohne Unterlass kommt, wann immer sie gerufen wird, wann immer die Liebe für sie da ist – weil es Gottes Lust oder Shaktis Lust ist, die immer dann ins Leben tritt, wenn genug Liebe und Selbst-Hingabe da ist, um das möglich zu machen.

Ich weiß nicht, was man sich sonst noch für Macht wünschen könnte. Über welch andere Macht spricht denn jeder? Nehmen wir mal an, ein zölibatärer östlicher Meister erkennt Gott in seinem eigenen Sein. Er erkennt die Liebe Gottes mit solcher Intensität, dass sie seinen Geist völlig leer fegt, alles hinausfegt – alle Gefühle, Emotionen, alle Negativität; sie brennt das alles weg und sein Geist wird von der Wahrheit durchdrungen, die jenseits aller Worte ist. Das ist die Kraft von Shakti in Form einer Gotteserkenntnis, verwirklicht durch die Kraft der Selbsthingabe und der auf dieses einzige Ziel gerichteten Hingabe an das innere Leben. Und das führt mich schließlich zur Quelle aller Kraft, die sich in meinem eigenen Wesen befindet. Aber der leichteste Weg, der uns hier im Westen zur Verfügung steht, ist der einfache Weg, den ich euch gegeben habe: die Liebe von Mann und Frau. Der eine Weg stellt die Verwirklichung von „Gott außerhalb der Existenz“ dar; es ist ein Weg, der von göttlicher Gnade geleitet wird und gewöhnlich auf ein einziges Ziel gerichtete Liebe und großes Leiden erfordert, entweder körperlich oder dadurch, dass einem alles genommen wird. Der andere Weg stellt „Gott in der Existenz“ durch die Liebe von Mann und Frau dar. Es ist ein Weg, auf dem es nicht erforderlich ist, dass einem alles genommen wird; auf dem es nicht erforderlich ist zu leiden.

Manchmal funktioniert es nicht. Manchmal ist ein Partner nicht der richtige für dich. Du musst beharrlich dabei durchhalten, um erkennen zu können, ob der Partner nicht richtig für dich ist; ob ihr beide genug liebt. Es kann später dann der Fall sein, dass ihr, obgleich ihr viel Liebe miteinander geteilt habt, nicht gut genug zueinander passt, um zur nächsten Stufe weitergehen zu können. Das ist durchaus möglich. Das geschieht fortwährend.

Liebe dauert ewig, weil für jeden, den wir geliebt haben, immer noch Liebe vorhanden ist: aber diese eine bestimmte Liebe dauert nicht notwendigerweise ewig. Ein Partner bringt dich vielleicht bis zu einem bestimmten Punkt, aber jeder Mann oder jede Frau kann nur bis zu einer bestimmten Grenze gehen. Und darum müssen so viele Menschen sich trennen. Sie sind nicht mehr im Einklang. Obgleich sie einander lieben, lieben sie sich nicht genug. Das ist das Schlüsselwort: „genug.“

Wirst du genug geliebt? Liebst du genug? Wir alle lieben einander; das wissen wir. Zwei Partner bleiben 25 Jahre lang zusammen und sagen zu mir: „aber wir lieben uns doch“. Das ödet mich an – weil sie sich nicht genug lieben, sonst würden sie nicht so zu mir sprechen. In der westlichen Welt sagt niemand die Wahrheit; jeder fürchtet sich vor ihr zu Tode. Aber wenn du nicht genug liebst, was soll’s?

Wenn du zur Liebe bereit bist, wird das Leben jemanden zu dir führen. Aber du darfst dich nicht an ihn binden. Wenn du dich an den, den du liebst bindest, wirst du leiden, wenn er gehen muss.

Worüber ich spreche, ist das Höchste für die Partnerschaft zwischen Mann und Frau und es besteht darin, Shakti in ihre Liebe zu bringen, so dass die Personen verschwinden und es nur Er und Sie, die göttlichen Liebenden sind, die sich lieben. Unser Körper ist das Gefäß für diese Liebe, aber nur, wenn das Ich verschwindet. Ich bin sicherlich da in dem Sinne, dass es mein Körper ist, aber mit der Seele habe ich mich dem göttlichen Liebenden hingegeben. Nur dann kann ich diese außergewöhnliche Macht der göttlichen Liebe Gottes erfahren.

* * *

Es gibt für uns, die wir ein spirituelles Leben führen, eine Dringlichkeit, und die besteht darin, unsere Liebe einzig auf Gott zu richten. Ich finde heute immer mehr Frauen, die auf ihre unterschiedliche Weise die Liebe zu Gott ausdrücken. Die Liebe zu „IHM“ macht die Frau zur Magd des Herrn. Dann liebt sie den Herrn und dient ihm. Sie ist unmittelbar da für den Herrn, das heißt für Gott. Es ist ihr Herzenswunsch, dem einen Heiligen Gott zu dienen. Dann manifestiert sich diese auf dieses einzige Ziel gerichtete Liebe in ihrem Leben nach dem Willen Gottes. Niemand kann sagen, was für eine Macht das ist. Aber sie wird sich ihrer annehmen.

Ich bin nichts als die Liebe Gottes. Das ist alles, was ich bin. Jede Frau, die ich geliebt habe, trug die Liebe zu Gott in sich. Das kommt zuerst, vor der Liebe zu mir. Obgleich die Liebe zu mir in ihr oft dasselbe ist wie die Liebe zu Gott. Wenn die Liebe zu Gott an erster Stelle steht, dann kann die Frau den Mann lieben, ohne sich in ihm zu verlieren. Sie darf nicht an erster Stelle den Mann lieben und erst danach an Gott denken. „ER“ muss an erster Stelle stehen. Dann wird ihre Liebe zuerst dem gelten, was in ihr ist und über alle Männer hinausreicht. Dann kann sie den Mann ohne Anhaftung lieben.

Und es ist die Aufgabe des Mannes, die Frau zu lieben, sich um sie zu kümmern, für sie zu sorgen und sie immer näher zu Gott zu bringen, indem er ihr selbstlose Lust bereitet, so dass sie erfahren und erkennen kann, was sie ist. Er muss sie lieben. Und warum sollte er das auch nicht tun? Das ist sowieso das einzige, woran er denkt! Sie ist das, was er am meisten liebt.

Wenn du eine Frau ohne Mann bist, fühle dich nicht einsam. Nehmen wir mal an, du bist eine ältere Frau und lebst nicht mit einem Mann zusammen. Du musst wissen, dass es keine Rolle spielt, wie alt du bist. Du hast immer noch dein eigenes Wesen und hinter dir steht Shakti, und wenn du Gott liebst oder „DAS“ oder „dich, das innere Wesen“ oder „das Eine in dir“, dann wird Shaktis Kraft dich durchdringen und du wirst frei sein von emotionalem Schmerz und Leiden. Diese Kraft ist in dir und du kannst sie wahrnehmen, wenn du stiller und stiller wirst und nicht deinem Geist und deinen Emotionen folgst oder über mehr Dinge nachdenkst als du musst. Du hast geliebt und die Freuden und Schmerzen der Liebe in deinem langen Leben kennengelernt; all das hat keine Bedeutung mehr – es verschwindet einfach in dieser Liebe zu Gott.

Warum möchte jemand lieben? Warum liebt ihr einander? Aus welchem Grund liebt ihr? Nur um jeden Abend miteinander ins Bett zu gehen?

Nein: Es gibt eine Kraft und ein Ziel hinter eurer Liebe.


Weiterführende Literatur


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